Me, Cazal & Eye
Ein Loblied auf die schönsten Brillen der Welt
von Alexander Dosiehn
Es war so Mitte/Ende der 80er Jahre, als mich das Virus packte. Damals stand Hip Hop als neue Musikrichtung und junge Kultur ganz hoch im Kurs. Stundenlang wurden die raren Rap-Videos auf MTV sowie sämtliche Plattencover hypnotisiert und auswendig gelernt. Zu dieser Zeit war es den Künstlern besonders wichtig, ihren durch Rap erreichten Wohlstand mit (damals wunderbar platten) Statussymbolen zur Schau zu stellen. Goldketten, Autos, Markenklamotten, Turnschuhe, Ringe und Brillen wuchsen zu Karikaturen ihrer selbst an – je größer und auffälliger, desto besser. Welch ein Glück, dass Cazal die Modelle 607, 623 und später 951 dem Markt schenkte! Während in punkto Kleidung und Sneakers gleich mehrere Marken für eine kredible Reputation am Hip Hop-Firmament zur Auswahl standen, gab es in der Disziplin „Brille“ nur einen wahren, heiligen Gral: Cazal. Das waren einfach die größten und spektakulärsten Rahmen.
Cazal prägte wie keine andere Marke den typischen Hip Hop-Look der Achziger. Obwohl nicht nur von Brillenträgern geschätzt – „normalerweise“ wurden Cazzies mit Demolinsen oder gleich ganz ohne Gläser von gutsichtigen Stylern getragen – haben mich damals die anderen Symbole und Codes eher beeindruckt. Des Phänomens Cazal wurde ich erst Anfang der 2000er Jahre richtig bewusst. Um 2004 begann auch unbeabsichtigt meine „Sammlerkarriere“ mit einem ebay-Impulskauf einer gebrauchten 955, die soeben frisch wieder aufgelegt wurde.
Seit Beginn des Fiebers hat mich Hip Hop nicht mehr losgelassen. Rapmusik, Breakdance, Graffiti, Jams, Konzerte, Stil, Accessoires, Kleidung, Attitüde – all das beschäftigt, unterhält, bewegt und beschäftigt mich bis heute und wird es immer tun. Kein Wunder, dass es nicht bei der einen Cazal geblieben ist. „Back to the Old School“ ist für mich schon immer eine Art Lebensphilosophie gewesen und das „Old School-Feeling“ lässt sich am besten unter Zuhilfenahme der authentischen Mittel freisetzen. Die richtigen Cazal-Brillen aus dieser Zeit sind ein hervorragender Impulsgeber. Dazu kommt noch die praktische Tatsache, dass viele Modelle die passende Größe für meinen Kopf besitzen und mir gut stehen. Ich würde nichts sammeln, um es in der Vitrine einzusperren – es soll benutzt werden! Und so tummeln sich einige der vorgenannten, klischeeschwangeren Erkennungsmerkmale in meiner Obhut. Meine Generation ist ja bekannt dafür, dass sie sich jetzt kaufen kann, was sie früher so heftig begehrte. Die eigene Legendenbildung durch spätpubertär verklärte Erinnerungen und Idealisierungen tun ihr Übriges, um plötzlich uralte, getragene Turnschuhe oder wackelige BMX-Räder preislich durch die Decke gehen zu lassen. Kein Wunder, wenn sich eine ganze Generation an ihre ersten XYZ erinnert und dies heute auch noch zu haben ist!
Erst mit der Zeit und einige Impulskäufe später konnte ich ein Gefühl für die Qualität und Detailverliebtheit dieser in Germany handgefertigten Prachtstücke entwickeln. Gleichzeitig kam auch das Gespür für den Vintage-Markt, für ebay-Preise in aller Welt, für Insider-Quellen. Bis heute hat mich der Virus Cazal nicht losgelassen und wird es wohl erst, wenn die Sammlung komplett ist. Haha, guter Scherz! Dafür ist die Vielfalt und Anzahl der Modelle und Farbgebungen einfach zu riesig – und ich meine nur vintage Cazal der 80er Jahre, und hier nur die 600er-, 800er und 900er Serie sowie darüber hinaus ein paar einzelne Modelle. Meine Sammlung erstreckt sich mittlerweile über 90+ Brillen, die meisten vintage, gebraucht (am besten nur von mir) und made in West Germany. Als „heavy user“ kann ich das heutige Engagement Cazals, viele der Ikonen bei gleichem Qualtitätsstandard zu reproduzieren, sehr begrüßen, denn alte Modelle sind rar bis unmöglich zu beschaffen. So kann heute jeder ganz leicht in den Genuss eines echten Stücks Hip Hop-Kultur kommen. Als Sammler allerdings sehe ich das mit gemischten Gefühlen, die Reissues haben den Vintage-Markt zum Teil ganz schön durcheinander gewirbelt.
An Cazal fasziniert mich die Detailverliebtheit, die Präzision und verlässliche HiEnd-Qualität der Produkte. Es hat Jahre gedauert, um das Genie, das hinter diesem starken Serienkonzept und der unfassbar perfekt ausgeloteten Designvielfalt steckt, für mich zu realisieren. Umso schockierter war ich über die Nachricht von Cari Zallonis Abschied. Leider haben wir uns nie persönlich kennen gelernt. Ich schätze, wir hätten übers Fachsimpeln Zeit und Raum vergessen. Nun kann ich nichts weiter tun, als sein Schaffen weiterhin für mich zu bewahren und mit großer Freude zu tragen.
[…] und Dennis Metzler (www.christianmetzler.com/blog/), zwei passionierte Sammler, sowie Alex Dosiehn (me, Cazal & Eye) werden aus Deutschland anreisen und den Event […]